Alles fing beim Summit der Stiftung Entrepreneurship von Prof. Dr. Günter Faltin an.
Der Summit findet jährlich im Oktober in den Räumen der TU in Berlin-Zehlendorf statt. An diesem Wochenende treffen sich Menschen, die sich selbstständig machen möchten, und Business Angels, die in eine vielversprechende Geschäftsidee investieren wollen. Es kommen Menschen zusammen, die sich vom nachhaltigen Unternehmergeist motivieren lassen möchten. Ein Wochenende voller Inspiration und großartiger Redner, wie Gerald Hüther, Jochen Schweizer oder Florian Langenscheidt, die mit dem Publikum in den Dialog treten und offen von ihren eigenen unternehmerischen Stolpersteinen berichten.
Mein 17-jähriger Sohn ist mit dabei und möchte an einem Rhetorik-Workshop teilnehmen: „Mama, Rhetorik braucht man immer.“ Auf der Agenda lesen wir: „Rhetorik für Entrepreneure“. Wenige Minuten später sitzen wir mit ca. 25 Teilnehmern dicht gedrängt in einem Seminarraum. Jürgen Hall und Sabine Zwernemann von den Steglitz Toastmasters leiten den Workshop.
Dieser Workshop hat es in sich. Gleich am Anfang erfahren wir, wo die Stegreifrede ihren historischen Ursprung hat. Der liegt nämlich einige Jahrhunderte zurück. Wir erfahren, worauf es in einer kurzen Stegreifrede ankommt. Wir lernen, wie wir wertschätzendes und konstruktives Feedback geben. Nach diesem kurzen theoretischen Vorspiel geht es gleich in die Praxis. Sabine Zwernemann lädt uns ein nach vorn zu treten und eine kurze Stegreifrede zu halten. Ich fasse mir ein Herz: Meine erste Stegreifrede.
Ich ziehe eine Karte und lese die Impulsfrage laut vor. Zum Glück eine dankbare Frage zu meinem unternehmerischen Dasein. Es sprudelt aus mir heraus und am Ende bekomme ich tobenden Beifall. So schwer war das gar nicht. Ich habe Blut geleckt. Nach mir trauen sich noch drei weitere Personen. Die Seminarstunde vergeht wie im Fluge. Danach gehe ich direkt auf Jürgen zu und frage ihn, wo der Rhetorikclub sich trifft. Ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen werden. Es vergehen keine zwei Wochen, da sitze ich in den Räumlichkeiten des Rhetorikclubs Steglitz Toastmasters.
Ich lausche den vorbereiteten Reden, melde mich als Teilnehmerin für eine Stegreifrede und bin fasziniert, wie wertschätzend und wohlwollend sich alle Clubmitglieder begegnen.
„Bei uns ist REDEN GOLD“ so lautet das Motto des Clubs. Genauso nehme ich es wahr. Am meisten beeindruckt mich die konstruktive Kritik, die Claudia Cassel bei der Gesamtbewertung des Abends äußert. Ich bin mir sicher: Hier kann ich in Bezug auf Kommunikation noch eine Menge lernen. Im Club treffen sich Menschen, die ihre rhetorischen Fähigkeiten verbessern möchten. Doch es geht nicht nur um Rhetorik allein. Die Clubmitglieder trainieren ihre Führungskompetenz und ihre Evaluationskompetenz. Ebenso üben sie sich in einem sicheren Auftreten und Schlagfertigkeit. Es geht um das „richtige“ Kommunizieren – um das Senden von Botschaften, die ankommen sollen. Es geht um Wahrnehmung und ein ehrliches Miteinander. Der Steglitz Toastmasterclub bietet einen geschützten Raum, in dem sich die Persönlichkeit entfalten und sich jeder ausprobieren kann.
Ich mache nicht viel Federlesen und reiche zum Ende des Jahres meinen Mitgliederantrag ein. Gleich im Januar stehe ich auf der Clubbühne mit einer Eisbrecher-Rede – es ist die erste Rede, die jedes Mitglied hält, eine „Kennenlern-Rede“. Gleich im Februar beginnen die Wettbewerbe. Ich melde mich an und qualifiziere mich prompt in der Kategorie „Vorbereitete Reden“. Danach geht es eine Stufe weiter zu einem Wettbewerb auf Area Ebene. Auch dort qualifiziere ich mich und fahre im April nach Dresden zum Division Wettbewerb. Evelyn Chalmakoff führt durch den deutschsprachigen Wettbewerb. In Dresden belege ich den dritten Platz in der Kategorie „Englische Stegreifreden“. Wow – ich bin begeistert. Nun bin ich neugierig und möchte wissen, wie die Finalisten in Aarhus in Dänemark beim District Wettbewerb performen. Dort treten die Sieger aus Norwegen, Schweden, Dänemark und Deutschland gegeneinander an.
Im Mai fahre ich mit meinem Mann nach Aarhus. Wir mieten uns ein AirBnB-Zimmer und bringen unsere Fahrräder mit. Es gibt in Münster und in Amsterdam viele Fahrräder. Wahrscheinlich in Aarhus noch mehr. Ganze Straßenzüge sind für den motorisierten Verkehr gesperrt. Ich denke meine Heimatstadt Potsdam kann sich davon eine Scheibe abschneiden. Wir verbringen drei Tage voller Inspiration in Aarhus. Ich lerne den CEO von Toastmasters Dan Rex aus Colorado, USA kennen. Ich erfahre aus erster Hand von Cyril Junior Dim – dem World Champion of public speaking 2022 – was eine gute Rede ausmacht. Beide Interviews findet ihr auch auf der Facebook-Seite der Steglitz Toastmasters. Ich lerne, dass Storytelling und Humor die wichtigsten Zutaten einer guten Rede sind. Und – ich erkenne, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Gute Kommunikation will gelernt sein. Wir alle kommunizieren jeden Tag. Was ich im Alltag beobachte: Oft ist die Qualität der Kommunikation fragwürdig. Sei es die Kommunikation mit den Kindern, dem Partner, den Kollegen, dem Chef oder die Kommunikation mit sich selbst. Kommunikation hat viel mit Wahrnehmung zu tun. Wie nehme ich den anderen wahr – höre ich ihm zu? Die meisten wollen nur labern. Das Ergebnis: Eine einseitige Unterhaltung. Dann fragt sich Frau oder Mann, warum der andere einen nicht versteht. Eine gute Kommunikation ist die Basis für ein sozialverträgliches Miteinander. Es ist die Basis für eine bessere Welt.
In Dänemark kommt mir der Gedanke: Im Prinzip sind wir alle potenzielle Redemeister. Jeder einzelne von uns hat seine Lebensgeschichte – seine einzigartige Story. Meist sind es die angstbesessenen Glaubensätze, die uns hemmen, diese Geschichte zu erzählen. Angst vor der Gruppe zu sprechen, Angst vor Versagung, Angst vor Ablehnung oder Angst davor – nicht gut genug zu sein. „Zweifel sind Verräter“ – das hat schon Shakespeare gesagt. Selbstzweifel bringen niemanden weiter – ganz im Gegenteil, sie hindern dich in deiner Persönlichkeitsentwicklung.
Wenn du es schaffst dir das bewusst zu machen, dann steht deiner nächsten Präsentation oder wo du auch immer eine Rede halten wirst nichts mehr im Weg. Die meisten von uns sind Wissensriesen, aber Umsetzungszwerge. Steglitz Toastmasters ist der Ort, an dem du von der Theorie in die Praxis kommst, deine Selbstzweifel in die Ecke stellst und Selbstvertrauen gewinnst.